A. Bowman et al. (eds.): The Epigraphy of Ptolemaic Egypt

Titel
The Epigraphy of Ptolemaic Egypt.


Herausgeber
Bowman, Alan; Crowther, Charles
Erschienen
Anzahl Seiten
382 S.
Preis
£ 90.00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Sitta von Reden, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

Der vorliegende Band ist als Begleitband des in Oxford betreuten Corpus of Ptolemaic Inscriptions (CPI) konzipiert und geht auf eine Konferenz 2016 in Oxford zurück. Er enthält 13 Beiträge zu Fund- und Aufstellungskontexten, Wissenschaftsgeschichte und Paläographie sowie einige historische Papyri und Inschriften vergleichende Untersuchungen. Ein Appendix listet die 650 in das Corpus aufgenommenen Texte mit Hinweisen zu ihrer Datierung, Erstpublikation, Tresmegistos-Identifikationsnummer und Thema. Allein schon der Appendix kann als ein wichtiges Hilfsmittel dienen.

Die Konzeption des Bandes zeigt, wie sich die Epigraphik in den letzten Jahrzehnten geändert hat. Stellte die Wissenschaft Inschriftencorpora über Jahrzehnte mehr oder weniger kontextfrei zusammen, bemüht man sich heute um Fundumstände, Zusammenhänge sowie Diskussion von Forschungsmethoden, und eben diese bildet der Band ab. Die Auswahl der historischen Untersuchungen scheint etwas beliebig und an der Expertise der Konferenzteilnehmer:innen orientiert. Es scheint keine systematische Auswahl von Forschungsmöglichkeiten zu sein, und ein solches Anliegen wird von den Herausgebern auch nicht thematisiert. Es bleibt somit in gewisser Hinsicht ein Konferenzband und weniger ein „Companion“ zum Corpus im eigentlichen Sinne.

Bowman und Crowther geben in ihrer Einleitung (Kapitel 1) einen kurzen Einblick in die Arbeitsweise des CPI Projekts sowie der Spezifika der ptolemäischen Epigraphik, die auch die Beiträge widerspiegeln sollen: die Multikulturalität Ägyptens, die unterschiedlichen Text- und Inschriftentraditionen, die dort aufeinandertrafen, und das Miteinander zweier religiöser und politischer Kulturen. Das Editionsprojekt baut auf einer Sammlung des Alexandria-Experten Peter Fraser auf, der sie im Zuge seiner Forschungen zu seinem großen zweibändigen Werk vereinigt aber nicht publiziert hatte. Neben neuen Funden beinhaltet das Corpus nun aber auch bilinguale und trilinguale Inschriften sowie Inschriften in Versmaß. Das Erbe Frasers zieht sich durch den gesamten Band, widmet aber den neuen Textgruppen besondere Aufmerksamkeit.

Masséglia diskutiert in Kapitel 2 den sogenannten Kingston Lacy Obelisken, der in Dorset auf einem Landgut erhalten ist und aus Philae stammt. Sie verfolgt die spannende Geschichte seines Abtransports, seine Forschungsgeschichte in England und die neuen Untersuchungen am Stein. Ein Resultat waren Neueditionen der Inschriften, die zu einigen, wenn auch nicht substanziell neuen Ergebnissen geführt haben. Mairs widmet sich in Kapitel 3 ebenfalls der Forschungsgeschichte von ägyptischen Inschriften, die nach ihrer Entdeckung nach England verbracht oder verkauft wurden (etwa der Stein von Rosetta). Was Thomas Young 1823 als glücklichen Zufall deklarierte, nämlich die Zusammenführung der demotisch-griechischen Texte aus dem Archiv der Totenpriester aus Theben, war in Wirklichkeit das Resultat einer willkürlichen Trennung der Texte im Zuge ihres Verkaufs nach Europa. Clarysse diskutiert in Kapitel 4 und zehn mit üblicher Expertise griechische Texte auf ägyptischen Monumenten und die (seltenen) Fälle, in denen sich Inschriften und Papyri gegenseitig beleuchten können, weil sie dieselben Personen, Ereignisse oder Kulte beinhalten. Dennoch betont er die deutlich unterschiedlichen Funktionen, Ziele und Adressaten dieser beiden Textgruppen. Bowman diskutiert in Kapitel 5 Inschriften aus den drei griechischen Poleis Naukratis, Alexandria und Ptolemais. Die Poleis zeigen deutliche Anleihen ihrer Verfassungsinstitutionen aus Griechenland, aber auch untereinander.

Die anschließenden drei Beiträge von Savvopoulos (Kapitel 6), Thompson (Kapitel 7) und Baralay (Kapitel 8) beschäftigen sich mit Inschriften aus religiösen Kontexten. Savvopoulos beleuchtet wiederum Alexandria, hier aber die Kultpolitik der frühen Ptolemäer. Mit den Kulten im Serapeion, Bubasteion und anderen transkulturellen Tempeln zeigten Inschriften den Versuch einer Vermittlung von griechischer und ägyptischer Kultpraxis. „There was a new comparative way of thinking and living for those who wished to become part of the ‚New Egypt‘ of the Ptolemies”, beobachtet Savvopoulos (S. 92). Thompson stellt ein Corpus ptolemäischer, zumeist bilingualer Weihplaketten, die in den Fundamenten von Heiligtümern in Alexandria und der Chora gefunden wurden, zusammen. Thompson unterscheidet griechische und ägyptische Traditionen, die in dieser besonderen Form der Epigraphik zusammengelaufen sind sowie ihre Formeln, Textträger und Inhalte. Die ganz spezifische Form der Gebäudeweihung scheint auf die Regierungsjahre Ptolemaios III. und IV. beschränkt und anschließend fallen gelassen worden zu sein. Baralay untersucht die Besonderheiten ägyptischer Weihungen gegenüber der hellenistischen Praxis außerhalb Ägyptens. Weihungen zu Gunsten von Herrschern (71% der Inschriften) sind besonders häufig und zeigen den großen Einfluss, den der Dynastiekult auf privates Leben ausübte. Besonders interessant sind die Weihungen von Personen mit ägyptischem Namen an ägyptische Götter, die nichtsdestoweniger auf Griechisch überliefert sind. Dies sei auf das große Interesse der Ptolemäer an griechischer Alphabetisierung – Griechischlehrer wurden in Ägypten bekanntlich steuerlich begünstigt – zurückzuführen. Fischer-Bovet untersucht in Kapitel 9 Weihinschriften von Soldaten. Ihre Weihungen nehmen im Laufe der ptolemäischen Zeit zu, was von Fischer-Bovet als Zeichen ihrer Prosperität (einfache Soldaten vollzogen Weihungen zumeist als Gruppe) gewertet wird, aber auch als Versuch, soziales Kapital zu erhöhen. Zudem zeigen auch diese Inschriften die hohe Akzeptanz und Verbreitung von dynastischen Ideologieelementen.

Paganini konzentriert sich in Kapitel 11 auf einen anderen sozialen Kontext, nämlich Kultvereine und ihre Selbstdarstellung in Inschriften mit unterschiedlichen Funktionen. Dies ist ein besonders interessantes Kapitel, da die öffentliche Zurschaustellung von Wohltätigkeit, Begünstigungen sowie der damit verbundene epigraphic habit als städtische Phänomene gelten. In Ägypten sind sie auch aus ländlichen Umgebungen überliefert. Paganini stellt fest, dass sich in der ägyptischen Chora die typischen Ausdrucksformen und Formulierungen dieses Inschriftentyps wiederfinden, aber sie entwickelten sich auch nicht unabhängig von der städtischen Praxis. Eindrücklich zeigt das reich bebilderte Kapitel auch griechische Inschriften mit ägyptischen Götterdarstellungen und Stelenformen, was wiederum die Bedeutung der griechischen Sprache auch in ägyptischen Kultkontexten belegt.

Hornblower stellt in Kapitel 12 die Vers-inschriften (meist Epigramme) zusammen, die Fraser nicht in seine Sammlung aufgenommen hatte, obwohl er sie kannte und sie wichtige historische Aufschlüsse enthalten. In einem Überblick über die zum Teil herzzerreißenden Inhalte der Epigramme warnt Hornblower gegen eine literarische Abwertung dieser Texte. Sie scheinen Auftragsarbeiten gewesen zu sein, in denen bestimmte, etwa homerische Formeln beliebt gewesen zu sein scheinen. Diese Anleihen sind nicht der mangelnden Kreativität der Dichter geschuldet, sondern brächten vielmehr die Geschmäcker der Trauernden zum Ausdruck. In einem meisterhaften abschließenden Kapitel stellt Crowther Buchstabenformen und ihren Wandel im CPI vor. Mit seiner wiederum reichen Bebilderung sollte dieser Beitrag mit Gewinn auch von weniger paläographisch geschulten Lesern und Leserinnen wahrgenommen werden.

Trotz einer gewissen Selektivität der Themen ist der Band ein äußerst weitgespanntes und inspirierendes Mittel für die weitere Forschung am CPI. Er ist zudem ein erneutes Beispiel für das hohe Niveau, auf dem sich die historisch-philologische Forschung zum griechisch-römischen Ägypten bewegt. Besonders gelungen ist in diesem Band die überzeugende Verbindung von wissenschaftshistorischer, historischer, papyrologischer und epigraphischer Auswertung des CPI, die ihn beispielhaft für weitere Projekte dieser Art werden lässt.

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